Dimensionen politischer evangelischer Jugendarbeit
Frühjahrstagung: 19.–21. März 2018 in Dresden
In unserer Frühjahrsfachtagung 2018 haben wir uns mit den politischen Dimensionen evangelischer Jugendarbeit beschäftigt. Die Behauptung, gegenwärtige Jugendliche in Deutschland seien politisch eher nicht interessiert, ist immer wieder zu hören und widerspricht doch dem Parteieintrittsverhalten vieler junger Menschen etwa in Folge der Wahl Donald Trumps zum amerikanischen Präsidenten und auch in Folge der letzten Bundestagswahlen. Viele Arbeitszweige innerhalb der evangelischen Jugend in Deutschland sind in Wahrheit hochgradig politisiert bzw. politisch engagiert. Mit der Tagung wollten wir verschiedene Dimensionen in diesem Spannungsfeld ausloten und unsere eigene Arbeit konkret voranbringen.
Ein Teil der Tagung war wie gewöhnlich auch für den informierenden Austausch über neuere Entwicklungen und aktuelle Herausforderungen in unseren jeweiligen Arbeitszusammenhängen reserviert. Dieser Austausch ist für alle Teilnehmenden eine nie versiegende Quelle wichtiger Anregungen und Hilfestellungen in der eigenen Arbeit, wobei wir dem konkret unterstützenden Aspekt ab der diesjährigen Frühjahrstagung mehr Raum verschaffen wollten und auch verschafft haben. Der kollegiale Austausch fand selbstverständlich auch während der vielen Gespräche am Rande der Tagung statt.
Inhaltlich haben wir uns mit drei Referaten auf drei verschiedene Weisen dem o.g. Thema genähert.
- Ein umfassender Überblick über die Lebenswelten Jugendlicher in Hinblick auf Partizipation am gesellschaftlichen und politischen Leben von Jan Witza (Dresden) lud ein, eher grundsätzliche Fragen zum Thema zu reflektieren, wobei der Vortrag Informationen und Anregungen zur Diskussion in den folgenden drei Schritten bot: 1. Aufwachsen in veränderten Zeiten / 2. Jugend und Politik / 3. Auswirkungen für die Praxis. Interessant wahrzunehmen war die deutliche Zunahme der lebensweltlichen und ethischen Orientierungen Jugendlicher und junger Menschen an Sicherheit und Anerkennung sowie Wirksamkeit und Nutzen, verbunden mit einem messbar stärker werdenden Ruf nach der Akzeptanz von Gesetz und Ordnung – wobei all dies eingebettet bleibt in die Kritik am Auseinanderdriften der Gesellschaft z.B. in Arm und Reich, in Gruppen mit grundsätzlich gesicherten Lebensverhältnissen und solche mit dauerhaft prekären Lebensverhältnissen usw.. Ebenfalls interessant wahrzunehmen war die hohe Beteiligungsbereitschaft Jugendlicher am politischen Leben im Rahmen eines demokratischen Prozedere, vor allem den Wahlen, wobei die Bereitschaft, sich mehr zu engagieren, vor allem an der Möglichkeit festgemacht wird, sich dabei nicht institutionell oder parteilich binden zu müssen.
- Im Anschluss daran haben wir uns mit den Thesen von Frank Richter zu den Hintergründen des PEGIDA-Protestes in Dresden und den neuen Politikformen sowie deren Anhängern auseinandergesetzt, die Ihre Kraft vor allem aus einer massiven Kritik am Establishment beziehen. Eine der vielen interessanten Thesen, die im Anschluss an den Vortrag diskutiert wurden, war die, dass eine Gesellschaft nach einem erheblichen gesellschaftlichen Umbruch in der zweiten Generation offensichtlich noch einmal das erhebliche Bedürfnis hat, die Ereignisse des Umbruchs und das daraus folgende Selbstverständnis neu zu diskutieren bzw. zu klären. Die Parallele zu den 68ern in Westdeutschland überraschte zwar zunächst, ermöglichte aber letztendlich interessant Einblicke in die aktuellen Vorgänge. Im Hinblick auf Lösungsansätze sind wir beispielsweise der Frage nachgegangen, ob der Ansatz bei einer erzählenden Geschichtsschreibung der (zunächst) aufgehobenen Identität vieler ostdeutscher Menschen wieder eine andere Einbettung als die in deutschnationale Kontexte ermöglichen könnte.
- Schließlich hat uns Karolin Schwarz interessante Einblicke in ihren professionellen Umgang mit Hass im Netz verschafft, der als eine praktische Anleitung für unsere eigenen Arbeitsfelder konzipiert war. Frau Schwarz arbeitet in Berlin für das öffentlich-rechtliche Online-Portal „funk“ und hat im Februar 2016 die Seite hoaxmap.org gegründet. Dort sammelt sie widerlegte Gerüchte über Flüchtlinge. – Ausgehend von der Einsicht, dass die Kommentarspalten im Netz von einer lauten Minderheit dominiert werden, von denen trotzdem viele betroffen sind, erläuterte Frau Schwarz sowohl Hater-Typen und deren Strategien als auch die strategischen Wege für uns, wie am sinnvollsten damit umzugehen ist. Mit einer Einführung in die relevanten rechtlichen Handlungsmöglichkeiten wie in die globalen Strategien der „no-hate-speech-movement“ rundete sie das Thema ab.
(Für den Bericht: Eckhart Friedrich, 23.Apr. 2017)